Cur linguam Latinam discamus? (Latein – wozu?)

Latein ist eine tote Sprache. Warum sollte man sich heute noch damit beschäftigen? Mit diesem Vorurteil gegenüber dem Lateinischen muss sich jeder auseinandersetzen, der sich heute noch mit der Sprache der Römer beschäftigt. Tot, das ist Latein tatsächlich, denn es wird – mit Ausnahme des Vatikans – in keinem Land der Welt mehr gesprochen. Doch wie heißt es so schön: „Totgesagte leben länger“! Denn Latein lebt weiter. Und es gibt gute Gründe, sich auch heute noch für diese angeblich so tote Sprache zu interessieren und zu begeistern. 1) Wer Latein lernt, hat es leichter, auch andere Sprachen zu lernen. Denn die romanischen Sprachen wie z.B. Italienisch, Spanisch oder Französisch, haben sich aus dem Lateinischen entwickelt. Auch im Englischen und sogar im Deutschen finden sich immer wieder lateinische Begriffe oder Ableitungen aus dem Lateinischen. Und ohne Latein gäbe es viele Fachbegriffe, wie z.B. Computer oder Video, gar nicht. Darum: Latein ist keine tote Sprache! 2) Wer Latein lernt, versteht auch die eigene Muttersprache und ihre Grammatik besser. Denn in der deutschen Grammatik ist vieles aus dem Lateinischen übernommen worden. Viele Schülerinnen und Schüler sagen, dass sie erst durch den Lateinunterricht die deutsche Grammatik richtig verstanden haben. 3) Wer Latein lernt, lernt, erwirbt Fähigkeiten, die auch in der Ausbildung, im Studium und im späteren Beruf wichtig sind. Denn anders als in lebenden Fremdsprachen geht es im Lateinunterricht nicht darum, sich in der Sprache auch aktiv ausdrücken zu können. Deshalb sind hier andere Kompetenzen gefordert, wie z.B. analytisches und kreatives Denken, genaue Konzentration auch auf Einzelheiten und die Fähigkeit, aus bereits Gelerntem Rückschlüsse für etwas Neues zu ziehen. Und genau das sind Kompetenzen, die Ihr Kind auch in einem späteren Studium, einer Ausbildung und dann auch im Beruf immer wieder benötigen werden. Lateinunterricht bedeutet darum nicht nur das Erlernen einer Sprache, sondern ist darüber hinaus auch eine „Schule des Denkens“. 4) Wer Latein lernt, lernt, Europa zu verstehen. Denn die römische Kultur ist die Grundlage der heutigen Kultur Europas. Wer also heute Europa verstehen und europäisch denken will – etwas, was im Zuge des zunehmenden Zusammenwachsens Europas immer wichtiger wird –, der muss sich mit der römischen Vergangenheit auseinandersetzen. Und diese Vergangenheit sprach Latein! 5) Wer Latein lernt, bekommt einen Zugang zu den größten denkerischen Leistungen der Menschheitsgeschichte. Denn über mehr als 1500 Jahre war Latein die Sprache der Gelehrten und Dichter. Deshalb sind viele Werke der Weltliteratur auch auf Latein geschrieben worden. Auf Latein haben Philosophen wie Cicero oder Seneca sich mit Fragen nach dem richtigen ethischen Handeln auseinander gesetzt. Auf Latein sind Theologen wie Augustinus, Thomas von Aquin und auch noch Martin Luther fundamentalen Fragen des christlichen Glaubens auf den Grund gegangen. Auf Latein haben Dichter wie Ovid oder Horaz der Liebe und all ihren Facetten Ausdruck verliehen. Auf Latein sind Politiker wie Cicero oder Thomas Morus der Frage nach dem idealen Staat nachgegangen. Und bei all dem gilt der Satz des Humanismus: Ad fontes! (Zu den Quellen!) Wer die Gedanken dieser Männer zu all diesen wichtigen Themen verstehen will, sollte ihre Werke im Original lesen können, auf Latein! 6) Wer Latein an der Schule lernt, muss sich im Studium nicht mehr damit quälen. Denn Latein ist auch heute noch eine Voraussetzung in vielen Studiengängen an den Universitäten. Und auch in den Fächern, in denen formal kein Latinum mehr verlangt wird, spielen lateinische Fachausdrücke oft noch eine wichtige Rolle. Das Erlernen dieser Sprache an der Universität stellt in vielen Studiengängen eine Hürde dar, an der viele Studienanfänger entweder ganz scheitern oder für deren Überwindung sie zumindest lange brauchen. Um diese Hürde am Anfang des Studiums zu umgehen, ist es sinnvoll, bereits in der Schule Latein zu lernen und das Latinum zu erwerben. 7) Wer Latein lernt, kann auch noch Spaß dabei haben. Denn Lateinunterricht muss – anders als es sein zugegebenermaßen schlechter Ruf behauptet – gar nicht langweilig sein. Es macht einfach Spaß, sich mit dem Leben von Menschen vor gut 2000 Jahren zu beschäftigen. Was haben sie gedacht und getan? Was haben sie gegessen und getrunken? Wie haben sie geliebt? Wie haben sie sich auch einmal beleidigt? Über welche Witze konnten sie lachen? Wie haben sie ihre Freizeit verbracht? All das und noch viel mehr können wir in den lateinischen Texten entdecken. Und das macht dann einfach nur Spaß! Dies alles sind Gründe, warum es sich lohnen kann, an der Schule Latein zu lernen.
Lingua Latina mortua est – lingua Latina vivat!
(Latein ist tot, es lebe Latein!)